SPD: Wir brauchen die Kreiswerke AK - Erfolgreiche Rekommunalisierungsprojekte aus anderen Kreisen vorgestellt

Veröffentlicht am 10.05.2012 in Veranstaltungen

Bernd Becker, Günter Hackländer, Ralph Spiegler, Christoph Zeis, Günter Hoffmann und Andreas Hundhausen (von links).

Folgt man der aktuellen Vergabepraxis im Kreis Altenkirchen, müsste die Devise eigentlich lauten: „Privat ist immer günstiger und besser.“ Der SPD-Kreisverband Altenkirchen, die SPD-Kreistagsfraktion und der SGK-Regionalverband Altenkirchen hatten dieses Thema jetzt in den Mittelpunkt einer öffentlichen Infoveranstaltung für kommunalpolitisch Interessierte in der Villa Kraemer in Kirchen gestellt. Anhand einiger gelungener Beispiele aus anderen Landkreisen sind die Sozialdemokraten der Frage nachgegangen, ob die Interessen der Menschen auch im heimischen Landkreis in kommunal geführten Gesellschaften besser und kostengünstiger wahrgenommen werden könnten. Als Referenten begrüßten die Genossen den Bürgermeister der Verbandsgemeinde Nieder-Olm Ralph Spiegler, den Leiter der Abteilung Abfallwirtschaft der Rhein-Hunsrück-Entsorgung Günter Hackländer, den Geschäftsführer der Energiedienstleistungsgesellschaft Rheinhessen-Nahe Christoph Zeis und den Geschäftsführer des Verbandes Kommunaler Unternehmen in Rheinland-Pfalz Günter Hoffmann.

Spiegler berichtete über die erfolgreiche Rekommunalisierung der Reinigungsleistungen im Landkreis Mainz-Bingen und der Verbandsgemeinde Nieder-Olm. Dort hatten 20 Jahre lang Fremdfirmen die Schulgebäude sowie das Rathausgereinigt. Laut Empfehlungen kommunaler Spitzenverbände und der Rechnungshöfe sei eigenes Personal ineffizient und zu teuer . Man sei jedoch in den allermeisten Fällen mit den Leistungen nicht zufrieden gewesen. Als Gründe nannte Spiegler einen häufigen Wechsel des eingesetzten Personals, teilweise mangelhafte Einweisung und chronische Unterbesetzung. Man habe dann unter Einbeziehen aller anfallenden Personal-, Material- und Sachkosten geprüft, ob eine Eigenreinigung nicht doch wirtschaftlicher und effektiver durchgeführt werden könnte. Das Ergebnis war, dass der Landkreis bei gleichem Leistungsumfang die Kosten von zuvor 1,5 Mio. Euro um 300.000 Euro jährlich senken konnte. Die Rekommunalisierung habe neben den Kostenvorteilen weitere positive Auswirkungen gehabt, wie z.B. weniger Personalwechsel, eine bessere Reinigung, höhere Flexibilität bei den Einsatzmöglichkeiten sowie zufriedenere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, erklärte Spiegler. Nicht zuletzt seien hier die fairen Löhne nach TVÖD zu nennen, welche über dem Mindestlohn der Reinigungswirtschaft lägen.

Einen ähnlichen Weg auf dem Gebiet der Abfallwirtschaft war man im Rhein-Hunsrück-Kreis gegangen, so Günter Hackländer. Auch hier habe am Anfang die Frage gestanden: „Was kostet uns die Abfallentsorgung, wenn wir es selbst machen würden?“ Einer vollständigen und ehrlichen Kostenanalyse waren Expertenhearings und Ortsbesichtigungen bei operativen Betrieben in anderen Regionen vorausgegangen, bis man im Jahr 2003 einen Kooperationsvertrag mit den Nachbarkreisen Neuwied und Bad Kreuznach geschlossen hatte, zunächst nur für den Bereich der Restabfallbeseitigung. Als Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) habe man eine ideale Balance zwischen unternehmerischer Selbstständigkeit und kommunaler Steuerung, so Hackländer weiter. Der Rhein-Hunsrück-Kreis spare heute durch die Übernahme fast aller Entsorgungsaufgaben 1,4 Mio. Euro jährlich gegenüber der Fremdvergabe. Für die Bürgerinnen und Bürger sei der Übergang reibungslos gewesen, da man das komplette Personal bei tarifgerechter Bezahlung übernommen habe und sogar fünf weitere Arbeitsplätze schaffen konnte, weil die vorher üblichen horrenden Überstunden weggefallen seien. Als weiteren positiven Aspekt habe man die Abfallgebühren leicht senken können.

Mit der Zuführung der Abfallverwertung zur energetischen Nutzung schlug Hackländer eine Brücke zum Vortrag von Christoph Zeis, der die verschiedenen Bausteine für die Energieerzeugung der kommunalen Energiedienstleistungsgesellschaft Rheinhessen-Nahe vorstellte. Die Zukunft der Energieversorgung liege in der Weiterentwicklung regenerativer Wärmeerzeugung in Kraft-Wärme koppelnden Anlagen, meinte Zeis. Er sieht hier insbesondere bei den Bioabfällen noch großes Potential.

„Die öffentliche Hand kann es genauso gut wie die Privaten. Kommunale Unternehmen arbeiten Gemeinwohl orientiert und genießen bei den Bürgern hohes Vertrauen“, fasste Günter Hoffmann vom Verband Kommunaler Unternehmen die wichtigsten Ergebnisse des Abends zusammen. Damit Rekommunalisierungsprojekte erfolgreich seien, brauche es neben einem professionellen Projektmanagement auch eine breite politische Unterstützung und die Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung. Aber auch die rechtlichen Rahmenbedingungen müssten stimmen. In diesem Zusammenhang hielt Hoffmann die Anpassung der Gemeindeordnung auf die künftigen energiepolitischen Herausforderungen für dringend geboten.

SPD-Kreisvorsitzender Andreas Hundhausen bedankte sich bei den Referenten für den „umfassenden Input“, den man für die weitere politische Arbeit im Kreis Altenkirchen mitgenommen habe. Bernd Becker, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion, stellte fest, dass seine "Utopie von den Kreiswerken AK" keine solche bleiben müsse. Er forderte die weiterte Kommunalisierung der Abfallwirtschaft. Mit dem Biomülltransport quer durch die Republik nach Quedlingburg müsse in absehbarer Zeit Schluss sein; vielmehr solle die Biomasse regional in Wärme und Strom verwandelt werden.
Die Westerwaldbahn sei Chance für intelligente Verkehrsmodelle und nicht Risiko oder Klotz am Bein. Bei der Kommunalisierung der Abfallwirtschaft könne die Westerwaldbahn eine Rolle bei Fuhrpark, Betriebshof und Umladestation spielen. Ganz wichtig sei der SPD, dass der Kreis sich beim Thema Energie besser aufstelle. Becker: „Alle, die Gemeinden Verbandsgemeinden und der Kreis, dürfen die Energiewende nicht zögerlich an sich vorbeiziehen lassen“. Christoph Zeis habe umfassend dargestellt, wie Kommunen sich engagieren könnten. Dabei dürfe es keine Tabus für Aktivitätsformen geben. Von der Gründung eigener Betreibergesellschaften bis zur kommunalen Zeichnung von Anteilen in privat initiierten Genossenschaften müsse alles möglich sein. Im Übrigen müsse es nach wie vor das Ziel sein, die Stromnetze im Kreis zu kommunalisieren, am Besten in Regie des Kreises und mit professionellen Partnern aus der Energiebranche. Bei der Frage der Wertschöpfung sei ein Gedanke von bestechender Logik: „Wenn eine umlagefinanzierte Gebieteskörperschaft Einnahmen generiert, kommt das allen Umlagepflichtigen zu Gute.“