Kreis-SPD strebt Parteireform vor Ort an: „Wenn die Gesellschaft sich verändert, müssen auch wir uns verändern“

Veröffentlicht am 16.01.2018 in Allgemein

Auf Berlin wollen die Genossen im Landkreis Altenkirchen nicht warten: Unter der Überschrift „SPD erneuern – Wir machen den Anfang!“ befasste sich der SPD-Kreisvorstand bereits im Dezember des letzten Jahres mit einer Reform ihrer Organisationsstrukturen. Ungeachtet der Entwicklungen um eine mögliche Neuauflage der Großen Koalition in Berlin wird das Wahlergebnis der SPD bei der Bundestagswahl 2017 als eindeutiges Zeichen für eine notwendige Erneuerung der Partei gesehen. „Wenn die Gesellschaft sich verändert, müssen auch wir uns verändern, wenn wir auf der Höhe der Zeit sein wollen“, erklärt Christopher Prinz, Geschäftsführer des SPD-Kreisverbandes, der die Parteireform federführend und gemeinsam mit Andreas Hundhausen, dem Vorsitzenden der Kreis-SPD, und dessen Stellvertreterin Sabine Bätzing-Lichtenthäler, MdL ausgearbeitet hat.

Man wolle ernsthaft einen Beitrag dazu leisten, den Anforderungen des Wandels in unserer Gesellschaft, den die Mitglieder und Unterstützer der SPD in ihrem Alltag miterleben, in der Organisationsstruktur der Partei vor Ort Rechnung zu tragen. „Im Rahmen dessen, was uns als Kreisverband möglich ist, wollen wir so auch die Erneuerung der SPD insgesamt vorantreiben“, ergänzt Hundhausen.

Dem Leitspruch Willy Brandts folgend, möchten die Genossen „mehr Demokratie wagen“: Wenn bei Kreisparteitagen künftig die Wahl des SPD-Kreisvorstands oder die von Kandidaten für Bundestag, Landtag oder Kreistag ansteht, sollen alle Mitglieder im Kreis Altenkirchen stimmberechtigt sein. Bislang gilt dies nur für die von den SPD-Ortsvereinen im Kreis gewählten Delegierten. Damit wolle man vor allem jene Mitglieder erreichen, die sich etwa aus familiären, beruflichen oder zeitlich-organisatorischen Gründen nicht im Ortsverein engagieren können, aber bei wichtigen Weichenstellungen dennoch aktiv an der innerparteilichen Willensbildung mitwirken wollen. „Auch sie haben einen Anspruch darauf, dass ihre Stimme nicht nur gehört wird – sondern auch zählt“, heißt es dazu in dem Entwurfspapier zur Organisationsreform.

Aber nicht nur wenn es um Personal geht, sondern auch bei politikinhaltlichen Fragen soll die SPD-Basis im Kreis mehr mitbestimmen können: „Viele Mitglieder haben ganz eigene politische Interessens- und Aktionsfelder, auf denen sie sich auch besonders gut auskennen. In dieser individuellen Expertise und Leidenschaft für bestimmte Themen liegt ein Potenzial, das in unseren bisherigen Organisationsformen leider oft ungenutzt bleibt“, erklärt Prinz. „Diese Lücke zwischen der Struktur der Partei und dem themenspezifischen Interesse und potenziellen Engagement der Mitglieder wollen wir schließen.“ Wenn mehrere Mitglieder Interesse an einem bestimmten politischen Thema zeigen, werde der Kreisverband künftig sogenannte „Themenforen“ gründen. Diese dürfen und sollen sich frei organisieren, real und digital treffen und gemeinsam diskutieren, ohne den organisatorischen Aufwand einer jährlichen Mitgliederversammlung mit Vorstandswahlen, wie sie bei den „traditionellen“ Arbeitsgemeinschaften – etwa den Jungsozialisten – notwendig ist, bewältigen zu müssen. Das Besondere: Kreisvorstand und Kreistagsfraktion sollen verpflichtet werden, Impulse aus den Themenforen aufzunehmen und ggf. konkret und nachvollziehbar in Beschlussvorlagen für den Kreisverband oder Anträge an den Kreistag einfließen zu lassen. „Damit weiten wir die Möglichkeit der innerparteilichen Willensbildung für jedes Mitglied ganz konkret auch auf die politikinhaltliche Dimension aus“, erläutert Andreas Hundhausen, der auch Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion ist. Und Christopher Prinz ergänzt: „Wir wollen endlich das alte Vorurteil, man müsse die sogenannte ‚Ochsentour’ durch die Partei mitgemacht haben, um überhaupt etwas bewegen zu können, aus der Welt schaffen und damit auch etwas gegen Politik- und Parteienverdrossenheit im Allgemeinen tun.“

Den Anspruch der Basisbeteiligung stellt die Kreis-SPD im Übrigen nicht nur an sich selbst: Das aktuelle Wahlprozedere für die Delegierten zum Bundesparteitag führe dazu, dass auf den derzeitigen Parteitagen Mandatsträger und Hauptamtliche aus Bund und Ländern überrepräsentiert seien. Die Genossen im Kreis Altenkirchen möchten das ändern und der ehrenamtlichen Basis eine stärkere Stimme geben. „Deshalb werden wir uns bei der Bundes- und Landespartei für ein Grundmandat für alle Kreisverbände und Unterbezirke einsetzen, um bundesweit zumindest jedem Kreisverband und Unterbezirk eine Stimme auf dem Parteitag zu geben. Für dieses Mandat sollte dann ein ehrenamtliches und nicht hauptamtlich für die Partei oder als Bundestags- oder Landtagsabgeordneter tätiges Mitglied benannt werden“, erläutert Sabine Bätzing-Lichtenthäler, MdL. „Wie in jedem Verein sind die Ehrenamtlichen das Rückgrat unserer Partei – von der Mitarbeit in der Kommunalpolitik bis zur Organisation von Infoständen auf dem Wochenmarkt. Wir wollen, dass ihnen auch auf Bundesebene mehr Mitentscheidungsrechte eingeräumt werden.“

Trotz der eigenen Pläne, bei der Erneuerung der SPD im Kreis Altenkirchen voranzugehen und damit auch Impulse an die übergeordneten in Bund und Land zu geben, ist sich SPD-Kreisgeschäftsführer Christopher Prinz indes sicher: „Neben den Herausforderungen, die uns als Organisation betreffen, bleibt eine eindeutige und klare politikinhaltliche Neuaufstellung im Bund essentiell für eine wirkliche und deshalb erfolgversprechende Erneuerung der SPD. Die organisatorische Neuaufstellung kann also nur ein Anfang sein.“ Die Kreis-SPD habe sich dennoch, so ihr Vorsitzender Andreas Hundhausen, „vorgenommen, vor Ort das eine zu tun, ohne aufzuhören, das andere von der Bundespartei einzufordern und dafür einzustehen“. Angesichts des Ergebnisses der Sondierungsgespräche zwischen CDU, CSU und SPD gebe es jedenfalls erhebliche Zweifel daran, ob dies in einer erneuten Großen Koalition tatsächlich auch gelingen kann.